Brexit: Abstimmung über EU-Austritt von Großbritannien – Wird der Brexit die britische Politik zur Bekämpfung der Finanzkriminalität beeinflussen?
12.03.2019 von Salvatore Saporito
Großbritannien hat Artikel 50 aktiviert und damit das offizielle Verfahren zum Austritt aus der Europäischen Union eingeleitet. Nachdem 51,9 % der Briten für einen Brexit am 23. Juni 2016 stimmten, sehen sich Führungskräfte aller Sektoren gezwungen, die Auswirkungen des Brexits abzuschätzen. Finanzkriminalität und Compliance sind Themen, die dabei eine wichtige Rolle spielen. Ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weist darauf hin, dass das Ausscheiden aus der EU den britischen Bemühungen im Kampf gegen Geldwäsche, Bestechung und Korruption schaden könnte.
Sorgen über die Folgen des Brexits
Laut eines Berichtes1 der Arbeitsgruppe der OECD für Bestechungsfragen im internationalen Geschäftsverkehr haben eine Reihe von Medien und NROs Bedenken geäußert, der Brexit könne den britischen Kampf gegen Korruption und Bestechung zurückwerfen. Es bestehen Sorgen, dass die Geldwäsche-Vorschriften und Sanktionen der EU in Großbritannien nicht länger gelten könnten und Großbritannien den Zugang zu europäischen Mechanismen der internationalen Zusammenarbeit wie Europol und Eurojust verlieren würde. Es gibt außerdem Befürchtungen2 , Großbritannien könne unter größeren Druck von Unternehmen geraten, den UK Bribery Act aufzuweichen, sodass britische Unternehmen Investitionen anwerben können, wenn sie den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren. Kritiker sagen, die Konzentration des Landes auf den EU-Austritt werde dazu führen, dass neue Gesetze zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität auf der Agenda der Regierung nach unten rutschen.
Welche Risiken könnten durch den Brexit wachsen?
1. Geldwäsche
Britische Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle geltenden Gesetze und Vorschriften wie beispielsweise die Geldwäscherichtlinie der Europäischen Union eingehalten werden. Kürzlich wurde die 5. Geldwäscherichtlinie veröffentlicht. Ausschlaggebend dafür war der Skandal um die Panama Papers und die Finanzierung terroristischer Gruppen bei den Terroranschlägen von Paris und Brüssel. Die 4. Geldwäscherichtlinie der EU verlangt schon seit Juli 2017 von Unternehmen, sich aktiv um Compliance-Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung zu bemühen. Dazu gehört, einen risikobasierten Ansatz anzuwenden, um Geldwäscherisiken zu erkennen und zu senken, Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden in ausreichendem Maße nachzukommen und Geldwäscherisiken laufend zu überwachen. Prüffähige Aufzeichnungen über die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden müssen für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Beendigung der Beziehungen aufbewahrt werden. Außerdem müssen Unternehmen „angemessene, präzise und aktuelle Angaben" zu wirtschaftlichen Eigentümern erfassen. Unser Whitepaper „Unrechtmäßig erzielte Gewinne im Visier" erklärt, wie sich die 4. Geldwäscherichtlinie auf internationale Finanzinstitute und andere Konzerne auswirkt.
Wenn Großbritannien die EU verlässt und nicht länger an die Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie gebunden ist, ist es dennoch unwahrscheinlich, dass sich das Land künftig in Nachsicht gegenüber Geldwäsche üben wird. Die Richtlinie ist letztendlich aus Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) entstanden, die Großbritannien in der Vergangenheit stets zügig übernommen hat. Darüber hinaus ist einer schriftlichen Stellungnahme der British Banking Association (BBA)3 zu entnehmen, dass die 200 Mitgliedsbanken „sich in der Pflicht sehen und die Notwendigkeit unterstützen, die gemeinsame Reaktion der britischen Wirtschaft auf Geldwäsche, Finanzkriminalität, Terrorismusfinanzierung und Steuervermeidung zu verbessern“. Bedenkt man, dass 80 % der „global systemrelevanten Banken“ zu den Mitgliedern der BBA zählen, stehen die Chancen gut, dass gesetzliche Bestimmungen mit unverminderter Härte gegen Geldwäsche, Bestechung und Korruption vorgehen werden.
Beim Anti-Corruption Summit in London im Mai 2016 beispielsweise kündigte Großbritannien ein neues öffentliches Register für Angaben zu wirtschaftlichen Eigentümern an. Dieses sorgte seitdem für Transparenz und eine Stärkung des Vertrauens der Bürger in Staat und Gesellschaft.
2. Bestechung und Korruption
Die EU hat sich verpflichtet, den Informationsaustausch zwischen ihren Mitgliedstaaten zu erleichtern. Es wird befürchtet, dass Großbritannien nach dem Brexit keine Informationen mehr über mutmaßliche Bestechung und Korruption aus der gesamten EU erhalten wird. Den britischen Behörden werde es daher schwerer fallen, in Korruptionsfällen zu ermitteln und die Strafverfolgung dagegen in Gang zu setzen. Andrew Simms vom Think Tank New Weather Institute schrieb im Januar 2016 in der Financial Times, Lösungen gegen Finanzkriminalität „erfordern ein gemeinsames internationales Handeln, das durch einen Brexit aus der EU ernsthaft untergraben würde“.
Es ist jedoch unklar, welche Vorteile die EU davon hätte, Großbritannien von diesem Informationsaustausch auszuschließen, da die europäischen Länder ihrerseits von der Bereitschaft der Briten profitieren, Informationen zur Verfügung zu stellen. Es gibt bereits Präzedenzfälle in denen das Vereinigte Königreich Informationen mit Nicht-EU-Ländern teilte. Außerdem wurde im Juli 2017 ein internationales Koordinierungszentrum zur Korruptionsbekämpfung in London errichtet, welches bis 2021 von der National Crime Agency betreut wird, um bei Ermittlungen mit Strafverfolgungsbehörden in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und der Schweiz grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Der weltweite Trend bei der Korruptionsbekämpfung geht dahin, dass Staaten Informationen miteinander teilen, statt sie voreinander zu verheimlichen.
Großbritannien hat zudem mit dem UK Bribery Act 2010 eines der strengsten Antikorruptionsgesetze der Welt. Das Gesetz war das Ergebnis der Anti-Korruptions-Konvention der OECD im Jahr 1997 und bliebe unberührt, wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr dem EU-Recht unterliegen sollte. Die NRO Transparency International beschreibt das Gesetz als „eines der strengsten Gesetzgebungswerke der Welt zum Thema Bestechung“. Daher scheint es unwahrscheinlich, dass Großbritannien, wenn es die EU verlässt, als unsicherer Kantonist bei der Bekämpfung von Bestechung und Korruption dastehen könnte.
3. Risiken durch Sanktionen und politisch exponierte Personen (PEP)
Die deutlichste Auswirkung des Brexits auf den Kampf gegen Finanzkriminalität wäre, dass das Vereinigte Königreich und Europa ganz unterschiedliche Strategien für Export- und Sanktionskontrollen entwickeln könnten. Obwohl oftmals verschiedene Staaten zusammenarbeiten, um Sanktionen gegen Unternehmen zu verhängen, die in einem bestimmten Land geschäftlich tätig sind, können die Bedingungen dieser Sanktionen sehr unterschiedlich sein. 2016 hatte die EU ihre Sanktionen gegen den Iran gelockert, während die US-Sanktionen restriktiver blieben. Durch die Lockerung der EU begonnen EU-Unternehmen damit, ihre Beziehungen zu Unternehmen im Iran zu vertiefen, während das Land für die meisten US-Unternehmen weiterhin tabu ist.
Britische Politiker haben in der Vergangenheit Ausnahmen für politisch exponierte Personen gemacht. Zum Beispiel nimmt die Financial Services Bill inländische politisch exponierte Personen wie Parlamentsabgeordnete von der erweiterten Due-Diligence-Prüfung (Enhanced Due Diligence) zur Geldwäsche aus. Das deutet auf eine Abweichung von der EU-Politik hin, da es sich gegen die Bestimmungen der 4. EU-Richtlinie richtet, die eine umfassendere Definition von „wichtigen öffentlichen Personen“ verlangt. Diese Divergenz könnte sich noch vergrößern, wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr dem EU-Recht unterliegen sollte.
Aber es gibt keine Hinweise darauf, dass Großbritannien und die EU hinsichtlich Sanktionen gegen politisch exponierte Personen drastisch voneinander abweichende Ansätze verfolgen würden. Darüber hinaus beruht ein erheblicher Teil der Sanktionspolitik auf UN-Resolutionen, an die Großbritannien unabhängig von seinem europäischen Status immer noch gebunden wäre.
4. Terrorismusfinanzierung
Die Gesetze des Vereinigten Königreichs zur Terrorismusfinanzierung fallen unter Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UN). Das Vereinigte Königreich hat weitere internationale Abkommen zur Terrorismusprävention unterzeichnet, darunter das Wiener Abkommen, das Abkommen von Palermo, die UN-Konvention gegen Korruption und die UN-Konvention zur Bekämpfung von Terrorismus, sodass das britische Recht an deren Bestimmungen gebunden ist. Die UNO ist nicht die einzige zwischenstaatliche Organisation, die sich dafür stark macht, Gelder zu identifizieren, mit denen Terrorismus finanziert wird. Die FATF hat ebenfalls Maßnahmen in diesem Bereich entwickelt, an die Großbritannien und die meisten EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen gebunden sind, und zwar unabhängig von Großbritanniens Beziehungen zu Europa.
Würde Großbritannien den European Communities Act von 1972 aufheben, so müssten neue Gesetze verabschiedet werden, um die dadurch entstehenden Gesetzeslücken zu schließen. Dies könnte Anlass zu Befürchtungen geben, dass das Vereinigte Königreich eine Zeit lang legislativ gelähmt und nicht in der Lage sein könnte, in bestimmten Bereichen Maßnahmen zu ergreifen. Aber nach britischem Recht können die Behörden bei Terrorverdacht finanzielle Sanktionsziele benennen und Exportkontrollen und andere Kontrollen über Waren jeder Art verhängen. Daher sollte es kein Fenster geben, in dem das Vereinigte Königreich in Bezug auf den mutmaßlichen Zu- und Abfluss von Terrorgeldern weniger handlungsfähig wäre.
Lob für die jüngsten Bemühungen Großbritanniens im Kampf gegen Bestechung
Laut Bericht der OECD wurden gesetzliche Bestimmungen mit Blick auf ausländische Bestechung seit 2012 in Großbritannien „deutlich stärker“ durchgesetzt. Diese Fortschritte werden dem „pragmatischen und effektiven Ansatz des Serious Fraud Office (SFO) bei der Untersuchung und Beilegung ausländischer Bestechungsfälle“ zugeschrieben. Der Bericht begrüßt das „starke Anti-Korruptions-Engagement“ Großbritanniens, insbesondere die Organisation des Anti-Corruption Summit, der im Mai 2016 in London stattfand. Darüber hinaus würdigt der Bericht, dass Großbritannien seine Möglichkeiten zur Erkennung ausländischer Bestechungsfälle erweitert und Whistleblowing-Kanäle verbessert hat.
Dieses Lob für das SFO kam genau in dem Monat, in dem der Joint Head of Bribery and Corruption der britischen Aufsichtsbehörde mitgeteilt hatte, dass sich die Vereinbarungen über den Aufschub von Strafverfolgung (Deferred Prosecution Agreements, DPAs) als „neuer Standard“4 für Unternehmen etabliert hätten, die selbst Nachweise für Bestechung und Korruption melden und bei der folgenden Untersuchung vollumfänglich kooperieren. Anfang des Jahres 2017 vereinbarte Rolls-Royce mit dem SFO im Rahmen eines DPA eine Zahlung von über 497 Millionen britische Pfund5, um Vorwürfe wegen internationaler Bestechung und Korruption beizulegen.
Ausblick
Vor diesem Hintergrund sind die Folgen des Brexits für die Zukunft des britischen Kampfes gegen Geldwäsche, Bestechung und Korruption möglicherweise nicht ganz so düster, wie Kritiker prophezeien. Die Aktivierung des Artikels 50 bedeutet nicht, dass sich der britische Kampf gegen Bestechung, Korruption und Finanzkriminalität über Nacht ändern wird. Die Bedingungen des Austritts müssen verhandelt und von nationalen Parlamenten ratifiziert werden – ein Prozess, der kurz vor der Vollendung steht, jedoch am 15. Januar vom Parlament mit 432 zu 202 Stimmen zerschmettert wurde. Der Brexit-Deal wurde abgelehnt und muss in einer weiteren Runde erneut vorgestellt werden.
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Quellen:
1 Implementing the OECD anti-bribery convention, Phase 4 Report: United Kingdom, oecd.org
2 Brexit could damage UK's fight against corruption, says OECD, theguardian.com, 23.03.2017
3 Written evidence submitted by the British Banking Association, publications.parliament.uk, November 2016
4 The future of Deferred Prosecution Agreements after Rolls-Royce, sfo.gov.uk, 08.03.2017
5 Rolls-Royce apologises after £671m bribery settlement, bbc.com, 18.01.2017
Zur Person
Salvatore Saporito Team Leader Risk & Compliance Europe

Salvatore Saporito war mehr als sechzehn Jahre bei der LexisNexis GmbH tätig, unter anderem als Team Leader Risk & Compliance Europe. Er studierte an der Universität zu Köln Wirtschaftswissenschaften (Betriebswirtschaftslehre) mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann. Er ist Mitglied im Deutschen Institut für Compliance (DICO), dem Berufsverband der Compliance Manager (BCM), in der DGI Fachgruppe Compliance sowie im österreichischen Compliance Praxis Netzwerk. Salvatore Saporito ist regelmäßig Referent zum Thema Geschäftspartnerüberprüfung.
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