Der Wert professioneller Datenbanken – Ein Interview mit Dr. Willi Bredemeier

20.09.2018 von Dr. Willi Bredemeier

Die freien Suchmaschinen werden besser. Und auch die Kunden verändern sich. Müssen wir unsere Begründungen, warum kostenpflichtige Internet-Angebote notwendig bleiben, überdenken und reformulieren?

Saporito: Ich beobachte, dass sich generell drei Arten der Quellenportfolios herauskristallisiert haben. Dies sind

  1. die frei zugänglichen Quellen, die sich gut über die diversen Suchmaschinen nutzen lassen,
  2. die in der jeweiligen Organisation vorhandenen Informationen, die in unternehmenseigenen Systemen vorliegen,
  3. Datenbank-Aggregatoren wie LexisNexis, die Zugang zu einem umfassenden, breiten sowie tiefen Quellenspektrum bieten.

Diese drei Schenkel der – so nenne ich es – Quellentriangel bilden eine solide und valide Informationsgrundlage für geschäftliche Entscheidungen. Dabei ist es insbesondere wichtig, eine scharfe und klare Differenzierung zwischen den freien Quellen und denen, die zwar öffentlich zugänglich, jedoch nicht kostenfrei zu nutzen sind, aufzuzeigen. Auch vor dem Hintergrund sich verändernder und vielfältigerer Nutzergruppen ist es wichtig zu betrachten, welcher Anwendungsfall welches Quellenportfolio erforderlich macht und bei der Informationsbeschaffung den richtigen Nutzen liefern kann. Kostenpflichtige Internet-Angebote müssen daher nicht überdacht werden, da alle drei genannten Quellenbereiche wichtig für die Recherche sind.

Wie haben sich aus Ihrer Sicht die Kunden in den letzten Jahren verändert? Sehen Sie auch einen Trend von den Informationszentren zu den Endnutzern, die sich ihrerseits in eine Art Semiprofessionalität weiterentwickelt haben? Wie lassen sich diese ansprechen?

Saporito: Informationszentren und Informations- oder Wissensmanager verfügen weiterhin über eine einmalige Expertise und ihren konkreten Nutzen für die jeweilige Organisation. Leider stellen wir immer häufiger fest, dass solch spezialisierte Abteilungen unternehmensintern nicht sichtbar genug sind. Ihr Mehrwert, den sie eindeutig liefern, wird nicht ausreichend kommuniziert. Somit werden sie auch immer seltener von anderen Abteilungen in Anspruch genommen. Jeder Mitarbeiter mit Computerzugang hat jederzeit die Möglichkeit, sich selbst Informationen zu beschaffen. Der Gedanke daran, den Rechercheprofi ans Werk zu lassen, bleibt viel zu oft aus. Wir bemerken eine Entwicklung dahingehend, dass sich Informationszentren in Unternehmen auflösen und die Informationsbeschaffer in alle möglichen anderen Funktionsbereiche migrieren. Der Rechercheprofi selbst verliert so die Informationshoheit.

Verantwortliche für abteilungsinterne Suchen müssen in jedem Fall anders angesprochen werden als spezialisierte Informationsmanager. Man muss sich unterschiedlicher Erwartungshaltungen und auch Zielsetzungen bewusst werden, denn das Wissen über den Nutzen professioneller Datenbanken ist oft nicht vorhanden. Ich empfehle Unternehmen, die abweichende Qualität freier sowie lizenzierter Quellen deutlich hervorzuheben und zu kommunizieren.

Ich habe seinerzeit für LexisNexis gemeinsam mit Frau Weissenberger ein Buch über „Recherchen in Online-Datenbanken“ verfasst. Wir gingen damals von der Philosophie aus, dass wir den Nutzen der Datenbanken für mehrere Funktionsbereiche im Unternehmen darstellen sollten, beispielsweise für die strategische Planung oder für Forschung und Entwicklung oder für Merger & Acquisitions oder für die Öffentlichkeitsarbeit. Müsste man diesen Ansatz nicht im Grunde weiterverfolgen?

Saporito: Das wäre wünschenswert. Es gibt einige neuere Unternehmensbereiche, die ganz spezielles Wissen benötigen. So hat sich beispielsweise in der Compliance der Informationsbedarf für umfassende Geschäftspartnerprüfungen oder Hintergrundrecherchen stark weiterentwickelt. Es gibt eine Vielzahl von Beispielen, in denen die Nutzung einer professionellen Recherche-Datenbank einer Organisation einen deutlichen Mehrwert geboten hätte.

Ein weiteres Beispiel findet man im Media Monitoring und seinen mannigfaltigen Ausgestaltungen.

Lesen Sie dazu auch den Gastbeitrag von Frau Weissenberger in unserem Blog, der zwar schon einige Jahre alt ist, aber auch heute nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Wenn ich den obigen Ansatz weiterentwickeln müsste, würde ich zusätzlich die Kosten und die Risiken, die man bei der Nichtnutzung von Online-Datenbanken eingeht, erörtern. Gehen Sie bei Ihrer Überzeugungsarbeit am Kunden auch auf diese Größen ein und wenn ja wie?

Saporito: Ein überzeugender Business Case ist immer notwendig. Denn natürlich wägen unsere Kunden und Interessenten die Vorteile von Online-Datenbanken im Rahmen einer Kosten-Nutzen Analyse ab. Betriebswirtschaftliche Überlegungen sind Teil jedes Kundengespräches und machen die Darstellung von Lösungen aktueller Problemstellungen erforderlich. Diese Lösungen veranschaulichen wir durch monetäre Größen. Das sind oftmals sehr einfache Kriterien wie der zeitliche Rechercheaufwand oder Kosten für die Nutzung einer Einzelquelle versus Kosteneinsparung durch Quellenbündelung. Es sind aber auch Größen, die leider oftmals vernachlässigt werden. Nämlich Opportunitätskosten, die anfallen, wenn es zu einer Unterlassung der Quellennutzung kommt. Oft sind die wirklich nutzbringenden Quellen nicht bekannt oder es wird bewusst auf eine solche Nutzung verzichtet, da die direkten Lizenzkosten – fälschlicherweise – im Vordergrund stehen. Dazu gibt es ein bekanntes Zitat von Paul McNulty, U.S. Deputy Attorney General: „If you think Compliance is expensive, try Non-Compliance.”

Spielen wir diesen Ansatz des „Nutzen-Risiko-Verhältnisses“ und die sich daraus ergebende Argumentation an einer Compliance-Unternehmensaufgabe, der Geschäftspartnerüberprüfung, durch.

Saporito: Hier ist es ratsam, sich vor Augen zu führen, welche möglichen Schäden für eine Organisation entstehen können. In der Compliance sind dies zum Beispiel Reputationsschäden, Geldwäsche oder Korruption. Solche und viele weitere Risiken machen es für Unternehmen erforderlich, einen risikobasierten Ansatz zu verfolgen. Das heißt, es sollte zuerst eine Identifikation meiner Geschäftspartner stattfinden. Dabei sollte der Begriff des Geschäftspartners möglichst weit ausgedehnt werden. Im Anschluss empfehle ich, diese Partner in Cluster zu bündeln und mit unternehmensindividuellen Kriterien eine Risikobewertung vorzunehmen. Auf dieser Grundlage lassen sich monetäre, zeitliche sowie physische und psychische Aufwandsdimensionen zu einer Aufwandssumme addieren und letztlich zur Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses als Entscheidungsgrundlage für die Durchführung einer Geschäftspartnerprüfung ableiten.

„Optimale Recherche“ ist auch eine Frage der Auswahl der Quelle, der Auswahl des Informationsanbieters sowie der Bewertung, der Analyse und der Visualisierung der Ergebnisse. Wie können Sie dem Kunden hier helfen?

Saporito: Wir empfehlen ein idealtypisches Vorgehen bei der Auswahl eines Due-Diligence- und Screening-Tools, an dem sich unsere Kunden und Interessenten orientieren können. Dies lässt sich auch gut auf andere Bereiche der Informationsbeschaffung übertragen.

  1. Legen Sie klare Anforderungen und Zielvorgaben für die Funktion der Screening- und Due-Diligence-Technologien fest, die im Einklang mit dem risikobasierten Ansatz Ihres Unternehmens stehen, um das Erwartungsmanagement zu unterstützen und das angestrebte Renditeprofil zu definieren.
  2. Testen, untersuchen, vergleichen und bewerten Sie die Leistungen, die für Sie infrage kommen. So stellen Sie sicher, dass Inhalt und Funktionalität den Anforderungen Ihres Unternehmens genau entsprechen, und stellen fest, wo diese Leistungen vorhandene Ressourcen innerhalb Ihres Unternehmens ergänzen oder ersetzen können.
  3. Berücksichtigen Sie langfristige Faktoren (neue aufsichtsrechtliche Vorschriften, wachsende Geschäftsanforderungen) und stellen Sie sicher, dass die Due-Diligence- und Screening-Ressourcen skalierbar, flexibel und anpassungsfähig im Hinblick auf veränderte Anforderungen sind (zum Beispiel Option zur Ergänzung neuer Module und Möglichkeit der spezifischen Budgetverwaltung).
  4. Berücksichtigen Sie die Verfügbarkeit von flexiblen Anpassungs- und Verwaltungsfunktionen für auf den risikobasierten Ansatz Ihres Unternehmens und die eigene Firmenpolitik zugeschnittene Leistungen.
  5. Wählen Sie das Bereitstellungsmodell aus, welches zu den verfügbaren IT-Ressourcen des Unternehmens passt (zum Beispiel Hosting durch den Provider oder durch das Unternehmen).
  6. Berücksichtigen Sie die Unterstützung lokaler Sprachen (Schnittstellen, Inhalte, Übersetzungs-Tools…). Stellen Sie sicher, dass ausreichend Schulungs- und Supportkapazitäten zur Verfügung stehen (kostenlos, Stundenzahl, Schulungsoptionen…).
  7. Achten Sie auf die Fähigkeit zur Erzeugung von Management-Intelligence- und Prüfdaten, um dazu beizutragen, die aufsichtsrechtliche Compliance und das Renditeprofil nachzuverfolgen und zu belegen.
  8. Berücksichtigen Sie eine Integration von regelmäßigen Beurteilungen unternehmerischer Aspekte, um sicherzustellen, dass die Technologie mit veränderten unternehmerischen und regulatorischen Anforderungen bzw. einem neuen risikobasierten Ansatz Schritt halten kann.

Achten Sie auf eine regelmäßige Überprüfungen des Providers sowie fortlaufende Information über neue Funktionen und Inhalte.

Ich verfolge mit Interesse Ihre Beiträge im LexisNexis-Blog zur Compliance. Ist die Erörterung grundsätzlicherer Zusammenhänge und die Beteiligung an der Debatten der Branche gut fürs Geschäft?

Saporito: Das ist wünschenswert und die Erfahrung zeigt, dass dies der Fall ist. Konkrete aktuelle und auch bewährte Anwendungsfälle lassen sich oftmals auf Situationen, die wir mit unseren Kunden besprechen, übertragen. Durch die Erörterung in meinem LexisNexis Compliance Blog möchte ich Stimuli aussenden, auch einmal die Perspektive zu wechseln und Erfahrungen von Best Practice oder auch Bad Practice für die eigene Lern- und Erfahrungskurve zu nutzen. Verknüpft sind meine Compliance-Blogbeiträge oftmals auch mit weiterführenden Hilfestellungen und Handlungsempfehlungen für die Zielgruppe. Mein Ziel ist es, Wissenstransfer formalisiert und in einem handlichen Format anzubieten, um innerhalb der Peer Group neue Ideen und Lösungen zu entwickeln.

Das Interview führte Willi Bredemeier.

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