Neuer Bericht prüft ethische Beschaffung und Risiken in weltweiten Versorgungsketten für Elektrogeräte
16.11.2017 von Salvatore Saporito
Die Elektroindustrie ist eine der größten Branchen der globalen Wirtschaft, aber auch eine der anfälligsten, wenn es um die Problematik moderner Sklaverei geht. Die Produktion von Telefonen, Laptops und anderen Elektrogeräten ist ein arbeitsintensiver Prozess. Dessen Arbeitskräfte mit geringer Qualifikation leben oft unter ärmlichen Bedingungen und erhalten nur minimale Löhne. Das gilt für den Abbau von Rohmaterialien als auch für die Herstellung selbst.
Die meisten Elektrounternehmen sind bei der Bereitstellung für das Produkt wesentlicher Komponenten, Rohstoffe und Dienstleistungen von externen Zulieferern abhängig. Und diese Zulieferer beauftragen möglicherweise wieder Drittanbieter, was zu komplexen Versorgungsketten führt, die zahlreiche Ebenen, Hunderte von Lieferantenstandorten und Tausende von Einzelpersonen umfassen. Die Dutzenden Minerale, die bei der Produktion benötigt werden, werden auf allen Kontinenten außer der Antarktis abgebaut. All dies erklärt die zunehmenden Risiken für die Elektroindustrie und den Bedarf nach einer sicheren Einhaltung der Sorgfaltspflicht in der Versorgungskette.
Der Global Slavery Index der Walk Free Foundation von 2016 geht davon aus, dass weltweit 45,8 Millionen Menschen in moderner Sklaverei leben und 20,9 Millionen Menschen Zwangsarbeit leisten. Gewissenlose Unternehmen an Hunderten von Lieferantenstandorten, darunter auch Fabriken zur Herstellung von Elektrogeräten und -bauteilen, beuten Arbeiter durch Zwang oder Betrug aus, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen.
Zwangsarbeit in Malaysia
Weltweit existieren in schätzungsweise mehr als 160 Ländern Formen moderner Sklaverei. Und obgleich man dabei ein besonderes Augenmerk auf extreme und hoch riskante Länder richten muss, können solche Bedingungen in sämtlichen Märkten auftreten.
Eines der risikoreichsten Länder in der globalen Elektroindustrie ist Malaysia. Ende 2016 gaben zahlreiche nepalesische Arbeiter aus den Versorgungsketten von Samsung und Panasonic1 an, in Malaysia als Arbeiter ausgebeutet worden zu sein. Sie sagten aus, dass sie auf mehrfache Weise bezüglich ihrer Vergütung belogen worden seien. Unter anderem hätten sie hohe Gebühren zahlen müssen, allein um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Man hätte ihnen ihre Pässe abgenommen, sodass sie nicht aus Malaysia ausreisen konnten, ehe sie ein Zwangsgeld geleistet hatten. Zusätzlich zu diesen Täuschungen seien die Arbeitsbedingungen mangelhaft und moralisch unvertretbar gewesen.
Viele der nepalesischen Arbeiter, die Unternehmen diese Vorwürfe machten, sind finanziell gebunden. Angeblich hatte die Arbeitsvermittlungsagentur ihnen mindestens das Neunfache des Höchstsatzes abverlangt, der im Land für Personalvermittlung zulässig ist.
Ein Arbeiter erklärte: Ich habe nicht den Job bekommen, den man mir versprochen hatte. Meine Arbeit ist sehr schwer. Ich habe nicht den versprochenen Lohn erhalten. Ein weiterer sagte: Uns ist klar, dass unser Einkommen unter dem Mindestlohn liegt, aber was sollen wir dagegen tun? Wir fühlen uns schlecht, weil wir immense Kredite zurückzahlen müssen. Allein dafür müssen wir drei Jahre lang arbeiten.
Im Hinblick auf die schlechten Arbeitsbedingungen erklärte einer der Arbeiter: Wir arbeiten in Zwölfstundenschichten mit einer einzigen Pause von 45 Minuten und einer Wasserpause von 7 Minuten alle zwei Stunden. Ein weiterer gab an, dass in einer Zwölfstundenschicht maximal zwei Pausen für Toilettenbesuche erlaubt seien2.
Viele dieser Arbeiter waren für Arbeitsvermittlungen und Subunternehmer tätig und nicht unmittelbar für Samsung oder Panasonic. Aber sobald Vorwürfe von Zwangsarbeit durch Einzug von Pässen oder andere Arten der Ausbeutung laut werden, kann selbst eine entfernte Verbindung zu einem Subunternehmer den Ruf einer Marke bei ihren Shareholdern und Verbrauchern nachhaltig schädigen.
Kobalt kommt neu auf die Liste der Kriegsmineralien
Seit 2016 haben NGOs und andere Interessengruppen die Frage gestellt, ob Kobalt – ein wesentlicher Rohstoff für die Lithium-Ionen-Akkus in Mobiltelefonen, Laptops und Tablets, das in erster Linie in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) abgebaut wird – auf die Liste der Kriegsmineralien aufgenommen werden sollte. Mehr als die Hälfte der weltweiten Kobaltvorräte stammen aus dem Kongo. Es ist der teuerste Rohstoff, der für die Akkus benötigt wird. Im Rahmen einer ausgiebigen Recherche zum Kobaltabbau im Kongo 2016 berichtete die Washington Post, dass die weltweite Nachfrage nach Kobalt von Seiten der Akkubranche sich in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht habe und sich Prognosen von Benchmark Mineral Intelligence zufolge bis 2020 mindestens noch einmal verdoppeln werde. Die Hauptursache für diesen Anstieg stellen Elektrofahrzeuge dar.
Drittparteien in einer Mine in Myanmar, die auf der schwarzen Liste steht
Ebenfalls im Jahr 2016 berichtete Reuters3, dass Hunderte von Unternehmen (darunter auch Apple) mit Gruppen zusammenarbeiteten, die auf der schwarzen Liste stehen. In den Versorgungsketten dieser Unternehmen wurde Zinnerz von einer Mine nahe der Grenze zwischen Myanmar und China bezogen, die von der United Wa State Army (UWSA) kontrolliert wird. Die UWSA unterliegt seit 2003 US-Sanktionen. Unternehmen müssen Sanktionen, Beobachtungslisten und Specially Designated Nationals-Listen regelmäßig prüfen, um die Risiken im Hinblick auf Compliance und moderne Sklaverei einzuschränken.
Ein Leitfaden für ethische Beschaffung
Die UN-Leitprinzipien beschreiben sechs wesentliche Schritte, um eine ethische Beschaffung zu gewährleisten. Drei davon bestehen in Bewertung, Beobachtung und Umsetzung.
Um ethische Risiken abschätzen, das Risiko moderner Sklaverei in der Versorgungskette minimieren und Ihr Unternehmen vor einer Rufschädigung schützen zu können, müssen Sie proaktiv handeln und eine robuste Due Diligence implementieren. In Verbindung mit einer kontinuierlichen Risikoprüfung können Sie so Ihr Unternehmen besser dazu befähigen, auf etwaige Vorkommnisse zu reagieren, und das Risiko von Zwangsarbeit in Ihrer Versorgungskette reduzieren. Eine fortlaufende Überwachung frischt den Due-Dilligence-Prozess auf und zeigt Fälle auf, in denen eine eingehendere Sorgfaltsprüfung erforderlich ist.
All dies ist aus unternehmerischer Sicht durchaus sinnvoll, wenn Sie das Risiko einer Beschädigung Ihrer Marke vermeiden, das Vertrauen Ihrer Kunden und damit die Absatzzahlen Ihres Produktes steigern und letztlich auch den immer strengeren Vorschriften in diesem Bereich voll entsprechen möchten.
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- weltweite Vorschriften zu Versorgungsketten, denen Unternehmen gerecht werden müssen, um Bußgelder und Schadenersatzforderungen zu vermeiden
- Stellen in der Elektronik-Versorgungskette, an denen ethische Risiken am häufigsten auftreten, sowie Länder mit den höchsten Risiken
- angemessene Maßnahmen für ethische Beschaffung, damit Unternehmen den Vorschriften entsprechen und Arbeiter vor moderner Sklaverei schützen können
Quellen
1 Samsung and Panasonic Accused over Supply Chain Labor Abuses in Malaysia, Supply and Demand Chain Executive, 22.11.2016
2 Samsung and Panasonic accused over supply chain labour abuses in Malaysia, theguardian, 21.11.2016
3 For Apple and Others, Tin Supply Chain Has Ties to Rebel-Held Myanmar Mine, Supply and Demand Chain Executive, 29.11.2016
Zur Person
Salvatore Saporito Team Leader Risk & Compliance Europe

Salvatore Saporito war mehr als sechzehn Jahre bei der LexisNexis GmbH tätig, unter anderem als Team Leader Risk & Compliance Europe. Er studierte an der Universität zu Köln Wirtschaftswissenschaften (Betriebswirtschaftslehre) mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann. Er ist Mitglied im Deutschen Institut für Compliance (DICO), dem Berufsverband der Compliance Manager (BCM), in der DGI Fachgruppe Compliance sowie im österreichischen Compliance Praxis Netzwerk. Salvatore Saporito ist regelmäßig Referent zum Thema Geschäftspartnerüberprüfung.
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