Hinweisgeberschutz in Unternehmen – worauf kommt es an? – Interview mit Moritz Homann, Director Compliance Services bei der EQS Group

17.07.2018 von Salvatore Saporito

Der Schutz von Hinweisgebern vor Repressalien wird nicht zuletzt seit der geplanten EU-Richtlinie in Unternehmen und Institutionen diskutiert. Im Interview erklärte Moritz Homann, Director Compliance Services beim internationalen Technologieanbieter EQS Group, welche Auswirkungen die EU-Richtlinie auf den Hinweisgeberschutz in Deutschland haben wird, warum Unternehmen unbedingt auch anonyme Meldekanäle anbieten sollten und worauf es bei der Kommunikation neuer Compliance-Maßnahmen ankommt.

Herr Homann, Ziel des Gesetzesentwurfes der Europäischen Kommission ist es, einen einheitlichen Schutz für Whistleblower zu schaffen. Für wen soll die EU-Richtlinie gelten und welche Maßnahmen sollen zum Schutz von Hinweisgebern ergriffen werden?

Homann: Generell geht es beim Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission darum, einheitliche und verlässliche Standards für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen. Dadurch soll ein EU-weiter Mindestschutz gewährleistet werden, der Hinweisgeber vor Repressalien schützt. Privatunternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern oder einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro sowie öffentliche Institutionen und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern sollen deshalb dazu verpflichtet werden, interne Hinweisgebersysteme einzurichten. Darüber hinaus soll Whistleblowern zum Beispiel ein Anrecht auf kostenlose Rechtsberatung und Rechtsschutz während eines Gerichtsverfahrens zustehen. Unternehmen müssen zudem mit Strafen rechnen, wenn sie beispielsweise versuchen, Hinweisgeber zu entlassen, zu degradieren oder anderweitig zu benachteiligen.

Wie steht es aktuell noch um den Hinweisgeberschutz in Deutschland?

Homann: Bisher gibt es in Deutschland noch kein explizites Whistleblower-Schutzgesetz. Im Einzelfall werden deshalb das Arbeitsschutzgesetz und das Bundesgesetzbuch herangezogen, um zu beurteilen, wie schutzbedürftig ein Hinweisgeber ist. Jedoch lässt sich auch in Deutschland erkennen, dass sich immer mehr Unternehmen und Institutionen der Thematik Hinweisgeberschutz annehmen. Beispielsweise hält der Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) börsennotierte Unternehmen dazu an, selbstverpflichtend ein sicheres Meldesystem für Hinweisgeber einzurichten. Viele Unternehmen führen auch proaktiv eigene Richtlinien ein, um zumindest einen grundlegenden Schutz der Hinweisgeber vor Repressalien sicherzustellen.

Warum sollten Unternehmen bereits jetzt über Schutzmaßnahmen für Whistleblower nachdenken und nicht erst den Beschluss der EU abwarten?

Homann: Auch ohne klaren gesetzlichen Rahmen, sollten sich Unternehmen die Vorteile, die die Einrichtung eines Hinweisgebersystems mit sich bringt, nicht entgehen lassen. Denn wer Verstöße im Unternehmen frühzeitig identifiziert, trägt aktiv zur Reduzierung von Risiken in Form von Strafzahlungen oder Reputationsschäden bei. Zugleich fördert der Einsatz von Hinweisgebersystemen die Integrität und Vertraulichkeit innerhalb eines Unternehmens und hat so positiven Einfluss auf eine offene und transparente Unternehmenskultur. Eine offene Unternehmenskultur kann wiederum zum Wettbewerbsvorteil für Unternehmen werden, wenn diese hierdurch bei Bewerbern oder Investoren punkten.

Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, um Hinweisgebern sichere Kanäle zur Kontaktaufnahme zu bieten? Gibt es hier eine Best Practice-Empfehlung?

Homann: Grundsätzlich können Hinweisgeber alle gängigen Kommunikationskanäle, wie Briefe, E-Mails, Hotlines, spezielle Hinweisgebersysteme oder auch Ombudsmänner zur Kontaktaufnahme nutzen. Empfehlenswert ist jedoch die Einrichtung eines digitalen Hinweisgebersystems, denn dieses bietet im Gegensatz zu allen anderen Optionen komplette Anonymität für den Whistleblower. Gleichzeitig ermöglicht ein solches System die Rücksprache zwischen dem weiterhin anonymen Whistleblower und dem Unternehmen. Über das digitale Hinweisgebersystem werden alle Dialoge und Unterlagen zentral und revisionssicher dokumentiert. Zudem lassen sich über die Plattform weitere Workflows organisieren und Daten zu den gemeldeten Fällen erheben und auswerten.

Ist es ratsam, seinen Mitarbeitern die anonyme Übermittlung von Hinweisen zu ermöglichen? Wie kann man sicherstellen, dass so eine Option nicht missbräuchlich genutzt wird?

Homann: Auf jeden Fall! Die Möglichkeit der anonymen Meldung schafft Vertrauen bei potentiellen Whistleblowern, da diesen so die Angst vor Repressalien genommen werden kann. Dadurch können Unternehmen mit einem Anstieg relevanter Meldungen rechnen. Allerdings sollte bei anonymen Meldeverfahren sichergestellt werden, dass der Dialog mit dem Hinweisgeber weiterhin möglich ist, um den Erfolg der Untersuchungen nicht zu gefährden.

Die oft geäußerte Sorge, dass durch anonyme Hinweisgebersysteme die Missbrauchsgefahr steigt, ist übrigens unbegründet. Der Whistleblowing Report 2018, den wir zusammen mit Forschern der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur durchgeführt haben, zeigt, dass gerade einmal 3 % der Hinweise auf eine absichtliche Falschmeldung schließen lassen.

Welche Faktoren haben Einfluss darauf, wie nachhaltig der Hinweisgeberschutz in Unternehmen etabliert wird?

Homann: Die erfolgreiche Etablierung eines Hinweisgebersystems hängt stark von der Akzeptanz der Mitarbeiter ab. Deshalb ist es wichtig, klar und transparent zu kommunizieren, warum ein Hinweisgebersystem im Unternehmen eingerichtet wird und wie die Prozesse aussehen werden. Zudem spielt der sogenannte „Tone from the top“ eine wichtige Rolle. Denn nur wenn auch die Führungsebene geschlossen hinter dem Hinweisgebersystem steht, sind auch die Mitarbeiter bereit, die neue Compliance-Maßnahme zu verwenden.

Herr Homann, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Salvatore Saporito.

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