Hohes Risiko moderner Sklaverei in Lieferketten – Gesetzgeber nehmen sich der Problematik weltweit an
18.01.2018 von Salvatore Saporito
Laut Modern Slavery Index 20171, einer jährlich von Verisk Maplecroft durchgeführten Studie, haben die Risiken moderner Sklaverei im Laufe des vergangenen Jahres weltweit zugenommen. Das gilt auch für 20 der 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Grund genug, sich den erhöhten Risiken, den Opfern von Zwangsarbeit in Lieferketten sowie der Frage, wie sich diese Risiken verringern lassen, einmal zu widmen.
89 Millionen Menschen in Sklaverei während der letzten fünf Jahre
Forschungsergebnisse2 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Walk Free Stiftung in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration belegen, dass während der letzten fünf Jahre 89 Millionen Menschen über Zeitspannen zwischen wenigen Tagen und fünf Jahren hinweg Opfer der einen oder anderen Form moderner Sklaverei geworden sind.
Diesem Forschungsbericht zufolge waren weltweit an jedem Tag im Jahr 2016 geschätzte 40,3 Millionen Menschen Opfer moderner Sklaverei. Davon waren 24,9 Millionen von Zwangsarbeit betroffen und durchschnittlich 16 Millionen Menschen Opfer von Ausbeutung durch Zwangsarbeit in der Privatwirtschaft (ohne sexuelle Ausbeutung). 57,6 Prozent der Opfer waren Frauen und 42,4 Prozent Männer. Im Durchschnitt wurden diese Menschen 20,5 Monate lang festgehalten, bevor sie aus ihrer misslichen Lage entkommen oder befreit werden konnten.
Hochrisikosektoren
Über 50 Prozent der ausgebeuteten Menschen waren in Hausarbeit, Baugewerbe und Herstellung tätig. Die folgende Grafik gibt eine Übersicht über die ausbeutenden Sektoren für die Fälle, in denen die Art der Arbeit bekannt war:
Quelle: 2017 Global Estimates of Modern Slavery, Alliance 8.7
„Hohes“ oder „extremes“ Risiko moderner Sklaverei in 60 % aller Länder
Der Modern Slavery Index 2017 bewertete 198 Länder hinsichtlich des Risikos moderner Sklaverei (darunter Sklaverei, Menschenhandel und Zwangsarbeit). Der Prozentsatz der Länder mit „hohem“ oder „extremem“ moderner Sklaverei ist auf 60 Prozent gestiegen; verglichen mit 2016 eine Zunahme um 2 Prozent.
Die asiatischen Fertigungsstandorte Bangladesch, China, Indien, Indonesien, Malaysia, Burma, die Philippinen und Thailand fanden sich alle in den Kategorien „extremes“ oder „hohes Risiko“ wieder. Und das obwohl der Bericht hervorhebt, dass es in Indien und Thailand einige Verbesserungen gab. Beinahe drei Viertel der 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hatten dem Bericht zufolge während der letzten 12 Monate mit einem erhöhten Risiko moderner Sklaverei zu kämpfen. Darunter fallen auch die größten EU-Volkswirtschaften Deutschland und Großbritannien. Diese Länder stiegen von der Kategorie mit „geringem Risiko“ in jene mit „mittlerem Risiko“ des Index auf.
Politische, ökonomische und soziale Veränderungen führen zu erhöhten Risiken
Gesellschaftliche Veränderungen können Auswirkungen auf die Risiken moderner Sklaverei in Lieferketten haben, da sie Menschen angreifbar machen. Diese Veränderungen können politischer, ökonomischer, sozialer, technologischer, ökologischer oder rechtlicher Natur sein.
„Die Migrationskrise hat das Risiko von Sklaverei in Lieferketten in ganz Europa erhöht“ , so Sam Haynes, leitender Menschenrechtsanalyst bei Verisk Maplecroft. „Unternehmen dürfen nicht länger nur auf die traditionellen Bezugshotspots in den aufstrebenden Wirtschaften achten, wenn sie das Risiko von Zulieferern sowie bezogenen Gütern ermitteln.“
Die Risiken haben sich aber nicht nur in Europa verändert; auch die Türkei wies einen starken Anstieg auf. In diesem Jahr lag die Türkei auf Platz 58 der Länder mit dem größten Risiko (Kategorie „hohes Risiko“). Noch im Vorjahr nahm das Land nur den 110. Platz ein. Die gesellschaftliche Veränderung der Türkei aufgrund des Zustroms von hunderttausenden syrischen Flüchtlingen, in Verbindung mit dem strengen türkischen Arbeitsrecht, hat zu tausenden neuen inoffiziellen Arbeitskräften geführt. Zudem verfolgt die türkische Regierung, deren Hauptaugenmerk laut Verisk Maplecroft gegenwärtig auf politischem Durchgreifen liegt, Verstöße gegen das Arbeitsrecht weniger streng als zuvor, was das Risiko nur weiter erhöht.
Die Anwesenheit dieser angreifbaren Migrantenpopulationen in den primären Ankunftsländern trägt entschieden zur erhöhten Sklaverei über mehrere Sektoren in der Region hinweg bei, darunter die Landwirtschaft sowie das Bau- und Dienstleistungsgewerbe, wie aus dem Bericht hervorgeht. Diese Branchen decken sich mit den Hochrisikosektoren, wie sie durch ILO und Walk Free Stiftung identifiziert wurden. Zu den ausbeuterischen Praktiken gehört beispielsweise, dass Arbeiter für ihre Einstellung Gebühren entrichten müssen, Opfer falscher Versprechen hinsichtlich der Lohnhöhe werden, Teile ihrer Löhne erst gar nicht erhalten oder unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen schuften müssen. Arbeitgeber oder Arbeitskräftevermittler nutzen die Angreifbarkeit von Arbeitern, ihren Immigrationsstatus, ihre Schwierigkeiten beim Wechseln des Arbeitsplatzes aufgrund restriktiver Visaauflagen oder ihre Schuldknechtschaft aus, um diese in derartige Arbeitsbedingungen zu zwingen. Zudem kann es vorkommen, dass Arbeiter oder ihre Familien von körperlichem Missbrauch bedroht oder tatsächlich betroffen sind.
Quelle: 2017 Global Estimates of Modern Slavery, Alliance 8.7
Weltweites Vorgehen gehen moderne Sklaverei
Frankreich, Großbritannien und die USA haben bereits Gesetze in Kraft, von denen einige weiter verschärft werden. Australien hat eine neue Gesetzgebung in Arbeit, die an den UK Modern Slavery Act (2015) angelehnt ist. In den Niederlanden und der Schweiz rechnet man mit neuen Gesetzen innerhalb der nächsten Jahre. In unserer Reihe „Modern Slavery: Regulation Across Borders“ nehmen wir die bestehenden und kommenden Gesetze zur Eindämmung moderner Sklaverei in diesen sechs Ländern genauer unter die Lupe.
Die internationale Verschärfung von Gesetzen gegen moderne Sklaverei wird aktuell angefacht von Nachrichten, die um die Welt gehen. So beispielsweise ein CNN-Bericht im November 2017, der eine schlechte Aufnahme eines libyschen Sklavenmarktes zeigte. Das Video war schockierend und verstörend. Es war ein junger Mann aus Westafrika zu sehen, der im Rahmen einer Auktion versteigert wurde, um in der Landwirtschaft und im Bergwerk zu arbeiten.
Leider kommen solche Wahrheiten viel zu selten ans Tageslicht. So wird der jährliche illegal erwirtschaftete Gewinn durch solche Machenschaften auf 150 Milliarden US-Dollar geschätzt. Ein großer Anreiz für diejenigen, die von der modernen Sklaverei profitieren, ihre Aktivitäten geheim zu halten. Die Kombination aus der strengen Geheimhaltung mit immer strengeren Compliance-Erwartungen bedeutet für Organisationen, dass sie immer stärker an einer durchgehenden Transparenz ihrer Lieferketten arbeiten müssen. Die Überprüfungen dürfen dabei nicht auf die direkten Lieferanten beschränkt sein, sondern müssen auch die Lieferanten der Lieferanten und so weiter berücksichtigen.
Abschwächen von Risiken durch laufendes Monitoring
Unternehmen, die moderne Sklaverei nicht hinnehmen möchten, könnten folgende erste Schritte dagegen unternehmen:
- Neubewertung der Firmenpolitik und -abläufe
- Risikobewertung von Firmenstandorten, Zulieferern und Drittparteien zur Ermittlung von risikobehafteten Unternehmenssparten
- Entwicklung und Einführung eines Anti-Sklaverei-Aktionsplans.
Auch eine robuste Due Diligence stellt ein effizientes unternehmerisches Werkzeug im Kampf gegen Risiken dar, wenn Firmen Kontakte zu neuen Zulieferern oder Drittparteien knüpfen.
Vor dem Hintergrund der angesprochenen weltweiten Veränderungen, die sich auf die Anfälligkeiten für und Risiken durch Zwangsarbeit im Laufe der Zweit auswirken, ist das fortlaufende Monitoring für Unternehmen jedoch ebenso wichtig, um die Einhaltung der Menschenrechte und die langfristige Aufrechterhaltung hoher Standards sicherzustellen.
Das können Sie jetzt tun:
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- Erfahren Sie, welche Ansätze einzelne Länder verfolgen, um gegen moderne Sklaverei zu kämpfen, und was Ihr Unternehmen tun kann, um diese Standards zu erfüllen.
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Quellen
1 Modern Slavery Index 2017, Verisk Maplecroft, 10.08.2017
2 2017 Global Estimates, Alliance 8.7
Zur Person
Salvatore Saporito Team Leader Risk & Compliance Europe

Salvatore Saporito war mehr als sechzehn Jahre bei der LexisNexis GmbH tätig, unter anderem als Team Leader Risk & Compliance Europe. Er studierte an der Universität zu Köln Wirtschaftswissenschaften (Betriebswirtschaftslehre) mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann. Er ist Mitglied im Deutschen Institut für Compliance (DICO), dem Berufsverband der Compliance Manager (BCM), in der DGI Fachgruppe Compliance sowie im österreichischen Compliance Praxis Netzwerk. Salvatore Saporito ist regelmäßig Referent zum Thema Geschäftspartnerüberprüfung.
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