LexisNexis Studie: „Past, Present + Future of Information Management"

PRESENT

Gert-Jan Lodder ist Leiter des Informationsdienstes der Zweiten Kammer der Generalstaaten (niederländisches Abgeordnetenhaus). In seinem Team arbeiten sechzig Vollzeitmitarbeiter beziehungsweise siebzig Personen in sechs Abteilungen. Lodder bekleidet diese Funktion seit 4,5 Jahren. Von den siebzig Mitarbeitern sind vierzig Informationsfachleute. Diese verteilen sich über drei Bereiche: Internationale Politik und Raumordnungspolitik, Verwaltung und Bildung sowie Soziale Angelegenheiten, Wirtschaft und Finanzen.

Jan Keukens ist Leiter des Bereichs Internationale Politik und Raumordnungspolitik. Im Informationsdienst gibt es ein Frontoffice und ein Backoffice. Im Frontoffice gehen alle Fragen ein (8.000 pro Jahr, vor allem vom Abgeordnetenhaus). Das Backoffice führt eine Auswahl aus dem Informationsangebot durch. Es bereitet die Informationen auf und erstellt Produkte wie beispielsweise Dossiers. Es beantwortet auch Fragen, die mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Jan Keukens erzählt: „Wir sehen alle gesellschaftlichen Themen. Im Parlament dreht sich alles um Information. Es gibt zu viele Informationen – wir kümmern uns um die Auswahl und Aufbereitung. Wir ergänzen Dossiers mit diesem Kontext. Das Parlament tagt anhand von Parlamentsdokumenten, Konzepten oder Gesetzesentwürfen; wir sorgen für den gesellschaftlichen Kontext. Was wird darüber in der Presse geschrieben? Wir stellen jedoch auch Primärinformationen wie wissenschaftliche Daten bereit. Wir konzentrieren uns auf traditionelle Informationen, Medien, Wissenschaft und Rechtsprechung. Auch soziale Medien beginnen, eine größere Rolle zu spielen. Wir verfolgen die sozialen Medien, ob sie positiv oder negativ sind, die Zahlen usw. Es ist für uns sehr wichtig, bei allem, was wir tun, Verschiebungen anzugeben, nicht eine einzelne Meinung, sondern mehrere Meinungen. Die Fraktionen sorgen selbst dafür, dass ihre Geschichte zu ihrer politischen Couleur passt. Wir erstellen 130 langfristige Politikdossiers und auch Reader. Unsere Produkte sind neutral. Wir haben selbst keine Meinung, zum Beispiel über Fyra. Der Kunde kann bei uns anfordern, was er will; positive oder negative Nachrichten zu Fyra. Es gibt elf Fraktionen mit verschiedenen Meinungen, die wir alle bedienen. Es ist für uns sehr wichtig, nachzufragen, denn die Menschen wissen oft nicht, was sie wollen. Mit unserem Know-how können wir mehr Informationen liefern und eine größere Anzahl an Optionen bereitstellen.

Abgeordnete haben einen persönlichen Mitarbeiter, der sich oft mit einer Informationsanfrage an uns wendet. Das sorgt schon für Aufmerksamkeit, und dann sind Fragen und Feedback von wesentlicher Bedeutung. Wir haben unter dem Plenarsaal ein physisches Frontoffice-Desk, an das sich Personen mit ihren Fragen wenden können. Es rufen auch viele Leute an. Die direkte Interaktion ist wichtig. Wir sehen, dass der Bedarf an aktuellen Informationen zunimmt. Die Kehrseite der Medaille ist, dass Qualität Zeit kostet, obwohl die Informationen immer schneller bereitstehen sollen. Unsere Herausforderung besteht darin, die Informationen schneller verfügbar zu machen. Der Bedarf an maßgeschneiderten Informationen wird ebenfalls immer größer. Während wir gerne ein breites Angebot bereitstellen, möchten die Leute konkrete Antworten auf ihre Fragen haben. Das Abgeordnetenhaus ist im Vergleich zur Regierung, im Hinblick auf die vielen Beamten und das Budget, ein kleiner Apparat. Unser Untersuchungsbüro beschäftigt fünf Personen. Es herrscht immer mehr Bedarf an inhaltlicher Unterstützung, um ein Gegengewicht zur Regierung bereitzustellen und um die Kontrollfunktion gut ausführen zu können. Teilweise wendet man sich dafür an uns, gemeinsam mit dem Untersuchungsbüro."

Gert-Jan Lodder: „Die funktionale, technische und inhaltliche Verwaltung ist für uns eine wesentliche Aufgabe. Das Kombinieren von Informationen unterschiedlichen Ursprungs und verschiedener Quellen ist eine Herausforderung; Informationen von der Regierung, aus Versammlungen, Informationen aus den Medien, dem Internet, der Wissenschaft – es wird immer mehr, in verschiedenen Systemen. Die Frage ist, wie wir die Informationen verfügbar halten können. Ein Papierarchiv wie früher ist nicht mehr machbar. Wir möchten die Informationen einsehbar halten, sodass die Anwender sie selbst finden können."

Lodder erklärt, dass die Anwender einfache Suchanfragen selbst durchführen können. Für die komplexen Fragen aus mehreren Quellen kommen sie zum Informationsdienst. Auch bei Containerfragen, einer Hauptfrage gefolgt von Unterfragen, melden sie sich. „Solange das Parlament anwesend ist, sind wir auch da, manchmal bis 2 Uhr nachts. Wir sind ein Sitzungsbetrieb und als solcher bis zum Ende der Sitzungen aktiv. Das gilt auch für das Restaurant, die Sicherheit und die Technik."

Jan Keukens erklärt, dass für das Parlament vor allem Meinungen wichtig sind. „Wenn wir Zeitungen und das Internet durchschauen, achten wir auf Aussagen von Führungskräften und Abgeordneten, vor allem aber auf Meinungsbildner. Was halten Greenpeace oder Milieudefensie davon? Die Meinung der Bürger ist wichtig für den Trend. Sie kann von einem auf den anderen Moment umschlagen. Wir sind vor allem hier, um sachliche Informationen bereitzustellen. Das sind Aussagen von Personen mit Sachverstand, Autoritäten und offiziellen Organisationen.

Die wichtigsten Quellen für uns sind parlamentarische Quellen und Verfahrensfestlegungen des Parlaments. Diese Informationen möchten wir auch in zwanzig Jahren noch auffinden können, es ist für uns also wichtig, die Dinge gut zugänglich zu machen, Metadaten, Verknüpfungen und Querverweise anzulegen. Wissenschaftliche Informationen aus wissenschaftlichen Zeitschriften sind ebenfalls wichtig für uns. Und natürlich die Presse. Wir schauen uns zum Beispiel Fernsehprogramme an. Zeitungen sind für uns wichtiger als Internetquellen. Wenn jemand wie Ben Bot einen Brief an die NRC schickt, dann nehmen wir ihn auf. Aber wenn eine einflussreiche Person im Internet eine Aussage macht, so möchten wir auch das aufbewahren. Bei einer Quelle aus dem Web können wir uns nicht mit einem Link begnügen, wir müssen den Artikel scannen.

Die Abnehmer unserer Informationen sind Abgeordnete und ihre Mitarbeiter, aber auch die Bürger. Wir helfen jedem Bürger, der eine Frage zum parlamentarischen Verfahren oder zum Status einer Gesetzesvorlage hat. Und wir beantworten Fragen wie ‚Wo kann ich die Parlamentsdokumente finden?' oder ‚Für wann steht das auf der Tagesordnung?'. Auch die parlamentarische Presse nutzt unser Angebot. Wir sind für eine gut funktionierende und informierte Presse wichtig. Und Lobbyisten und Wissenschaftler mit einem Referat über das Parlament unterstützen wir ebenfalls. Wir tragen dazu bei, dass das Parlament transparent ist und untersucht werden kann."

PAST

Jan Keukens absolvierte eine Fachhochschulausbildung (HBO) zum Informationsfachmann und arbeitete danach an der Universität von Groningen. „Ich kam als Dokumentar zur Zweiten Kammer. Ich war damals überrascht, dass die Presse so wichtig war, denn an der Universität drehte sich alles um Wahrheit und Wissenschaft. Im Parlament geht es um Medien und Journalistik. Nach zwei Jahren wurde ich Bibliotheksleiter. Damals war der Dokumentationsdienst noch separat. Die Bibliothek umfasste Bücher, Berichte, Rechtsprechung und Gesetzgebung, der Dokumentationsdienst verfügte über eine Dokumentation aus Presse und Zeitschriften und hatte eine Abteilung für parlamentarische Dokumentation. 2001 wurden der Dokumentationsdienst und die Bibliothek zu einer Dienststelle zusammengefasst." Jan Keukens trat 1998 in den Dienst. „Damals gab es noch einen Kartenkatalog, dieser wurde jedoch bald darauf automatisiert. Es gab auch nur zwei Computer für die gesamte Abteilung. Und es gab Datentypisten. Bereits 1978 gab es eine Datenbank mit Parlamentsdokumenten, Sitzungsprotokollen und Presseartikeln. Es war nicht einfach, mit dieser Datenbank zu arbeiten." Vor dieser Zeit gab es noch ganz andere Arbeitsweisen, wie zum Beispiel die „Nasskopie", erklärt Keukens. „Dazu ging man in die Reproabteilung und machte eine Kopie, die dann zum Trocknen aufgehängt wurde. Am Ende des Tages konnte man sie abholen. Danach kam das Fax, das war wieder etwas anderes."

Gert-Jan Lodder wurde am BDI ausgebildet (Fachhochschule (HBO) für Bibliothek und Dokumentationswissen). „Ich bin nach meinem Studium Berater bei einem Handelsunternehmen geworden, dessen Kunden Behörden waren", erzählt Lodder. „Danach habe ich Informationsmanagement studiert und habe einen Beraterclub geleitet. Erst danach kam ich in die Dienstelle für Innere Angelegenheiten."

Gert-Jan Lodder erklärt, dass das niederländische Abgeordnetenhaus schon früh mit Technik ausgestattet war. „Wir haben viel digital, und im technischen Bereich waren wir schon früh dabei. Wir haben aber auch viel Technik, die es schon lange gibt und die deshalb auch nicht mehr sehr modern ist. Hier könnte einiges verbessert werden."

FUTURE

Die Erwartungen von Keukens und Lodder für die Zukunft betreffen mehrere Aspekte. „Wir erwarten, dass das Know-how im Hinblick auf Technologie, Sprachtechnologie und die Konstruktion von Abfragen wichtiger wird. Beim aktuellen Volumen muss mehr automatisiert werden, und wenn Abfragen auf hohem Niveau gemacht werden, mit Wildcards und Häkchen an den richtigen Stellen, wird das einfacher. Dazu gehört auch, dass wir glauben, dass die Kenntnis von Hilfsmitteln größer werden muss. Bei uns befindet sich dieses Wissen zurzeit in der Abteilung Informationsmanagement, aber wir denken, dass die Informationsfachleute das selbst auch lernen müssen.

Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass das Verständnis der Spezialisten der verschiedenen Themen verbessert werden muss. Wir haben uns immer für Informationsmanager eingesetzt, die sich nach und nach spezialisieren, zum Beispiel im Bereich der Europäischen Union. Für die Zukunft denken wir jedoch, dass wir vorläufig an Spezialisten festhalten werden, die eine Informationsausbildung absolviert haben."

Jan Keukens sieht bei jüngeren Leuten mehr Aufgeschlossenheit für die neuen Technologien und neuen Medien, während Gert-Jan Lodder hinzufügt, dass das Fachgebiet und das dazugehörige Können und Wissen wichtig bleiben. „Ich denke, dass man die Errungenschaften aufrechterhalten muss. Wenn man weiß, wie man einen Thesaurus baut, kann man dieses Wissen auch zum Erstellen von Metadaten einsetzen. Das niederländische Abgeordnetenhaus ist als Organisation relativ traditionell, aber wenn Einflüsse wie die Flexibilisierung und das neue Arbeiten immer mehr Raum einnehmen, wird es auch bei uns Änderungen in unserer Organisationsweise geben. Das wird in den nächsten zwanzig Jahren passieren." Soziale Medien und Websites werden eine größere Rolle spielen. Jan Keukens: „Zurzeit ist die Chance größer, dass wir einen Bericht aus der Zeitung aufbewahren als dass wir einen Bericht von einer Website speichern, aber wie wird das in zehn Jahren aussehen? Gibt es dann noch Zeitungen? Im Bereich soziale Medien glauben wir, dass unsere Rolle darin bestehen wird, den Abgeordneten die Werkzeuge bereitzustellen, mit denen sie selbst die Meinung der Basis verfolgen können. Wir richten die Tools ein, und dann können die Leute selbst damit arbeiten. Wir werden dem Anwender helfen, bei all der Informationsflut den Kopf über Wasser zu halten.

Sollten Änderungen des parlamentarischen Verfahrens stattfinden, können soziale Medien eine Rolle spielen, indem Personen aus dem Land selbst direkten Einfluss auf das Verfahren nehmen. Das ist dann ein Teil der Partizipationsgesellschaft, wobei man jetzt schon beobachten kann, dass das Parlament immer mehr Anhörungen und runde Tische veranstaltet, vor allem für Interessengruppen und Autoritäten in bestimmten Bereichen.

Neuankömmlingen im Fach würden wir den Rat geben, dafür zu sorgen, dass sie sich mit Software und Systemen auskennen, aber dass sie auch gut kommunizieren. Es bleibt ein ‚People Business'; für den reinen Technikfan ist das hier nichts. Man benötigt eine breite Allgemeinbildung und ein historisches Verständnis, um alle Anfragen gut einordnen zu können. Man muss die Glocke läuten hören, aber man muss nicht genau wissen, wo sie hängt. Wohl aber, aus welcher Richtung der Ton kommt ...

Wahrscheinlich wird die Bezeichnung der Person, die dieses Fach in zwanzig Jahren ausübt, „Informationsspezialist" sein."


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